Lucille

Lucille ist 36, es geht ihr gerade nicht so gut. Sie ist stark verkühlt und hat fast keine Stimme, aber immerhin kein Corona. Ich treffe sie in der Kleingartensiedlung auf der Schmelz im 15. Bezirk, wo sie Richtung Sportanlage hinauf spaziert. Es ist der 27. Jänner, Tag der Befreiung des Lagers Auschwitz, der sie sehr berührt.

Die Malerin hat viele Bücher zum Thema gelesen, gerade „Menschen in Auschwitz“ von Hermann Langbein, der das Lager Dachau überlebte und als Zeuge bei den Frankfurter Auschwitz-Prozessen auftrat. Auf seinen Druck hin kam es 1958 zur Verhaftung von Wilhelm Boger, der in Ausschwitz das Referat Flucht, Diebstahl und Fahndung leitete und der eine als Bogerschaukel bezeichnete Foltermethode ersann, „wo sie die Menschen aufgespannt haben, Frauen, Kinder … schrecklich. Der hat die Leute in den Tod geprügelt“, sagt Lucille. Sie selbst war schon oft in Ausschwitz. Beim Malen ihrer Holocaust-Bilder muss sie eine Distanz schaffen, „sonst verkrafte ich das  nicht.“ Sie fährt meist im April, „weil da weniger Leute sind. Manchmal war ich auch schon im Jänner dort, aber da sind immer hunderte Busse, unvorstellbar. Das längste, was wir gewartet haben, waren vier Stunden dreißig auf den Eintritt. Das Lager ist ja riesengroß, gigantisch. Beim ersten Mal hab ich mir gedacht, das gibt es gar nicht, dass das so groß ist.“

Wie geht es ihr dann, wenn jemand den Holocaust leugnet?  „Das kann man ja nicht ernst nehmen“, sagt sie kopfschüttelnd.

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