
Milli ist 80 Jahre alt. Im Sommer wurde bei ihr beginnende Demenz diagnostiziert, die Welt um sie herum wird mit jedem Tag etwas kleiner. Wie geht es ihr also? „Es geht mir beschissen“, sagt sie, als wir am Christtag in der Küche ihres Hauses beisammen sitzen und uns seit einer halben Stunde krumm lachen. „Jeder Tag ist beschissen“, wiederholt sie, „aber wenn ich hinaus gehen kann, dann ist der Tag gut. Dann schau ich als erstes, ob ich ausrutschen werde oder ob ich weiter gehen kann. Ob es trocken ist oder nass. Wenn eine Zweite mitgeht, dann ist es super, wenn nicht, auch. Ich gehe ja auch gerne alleine. Neulich hab ich den Weg hinunter zum Moosbauer alleine gespurt, so viel Schnee war, der Moritz unten hat so gelacht, mit dem hab ich ja immer so eine Gaudi. Wie es heute wird, weiß ich nicht. Es schaut jedenfalls beschissen aus.
Mich hat es heute in der Nacht fast zwei Mal zerrissen, das haben jetzt so viel, den Schnupfen, den hast eh du auch, viele jammern. Du fängst das Schnäuzen an und hörst nicht mehr auf, das ist ja direkt eine Krankheit. Kann eh sein, dass es eine Krankheit ist. Man ist verschnupft, verkühlt, der Nebel dazu und alles. Das ist ja eine Frechheit! Das kann ich euch sagen. Da schaut man ausse beim Fenster und du siehst nichts als die depperten hinigen Bam, meine Güte, und da oben der Himmel, pfui Teufel, nur grau. Das ist einfach keine Zeit nicht mehr, es müsste doch längst Frühling sein! Und was ist? Tiefster Winter! In was für ein Land soll ich denn ziehen, dass es gescheiter wird? Aber, halt, ich bleib trotzdem da. Musst am Schluss schreiben: Hier ist das schönste Land bei mir, im Sommer werden wir wieder alles voll haben. Meine Freundinnen müssen dann wieder kommen, dann geht´s wieder los, der Herbert bringt uns einen Schnaps, na bitte.
Wenigstens der Tee ist gut, ah, der ist wirklich gut. Bis jetzt hab ich ja immer den gleichen Tee getrunken, aber der ist anderes, der ist gut. Wenn er recht gut ist, dann sag ich es der Liesi von Essen auf Rädern, sie soll mir einen bestellen, so zehn Stück oder so was. Die kommt dann eh gleich, naja, ein bisserel dauert´s noch.
Was ich für Weihnachtsport bekommen habe? Der Willi und die Inge, ganz lieb. Und die Getraud und der Hansl mit der dicken Schrift. Das muss ich mir aufheben, das ist ja auch was. Schön, schön, schön ist das. Ob ich noch eins erwischen werd, so ein Weihnachten, das weiß ich ja nicht. Ich bin schon ziemlich verbraucht, sagen wir so, eigentlich total verbraucht. Wie meine Mami gesagt hat: total verbraucht. Aber wir geben nicht nach, weil wie du einmal nachgibst, bist du schon weg. Die Jugend hat ja keine Ahnung, was man für Schmerzen hat. Au weh.
Dich kenn ich ja von Klein auf, wie du so ein Butzerl warst. Recht viel anders bist ja nicht geworden seither, eingeschläfert hab ich dich so oft, wenn du gar nicht schlafen hast wollen, hab ich dich eingeschläfert, dann hab ich dich gekuschelt, dass der Burli wieder schlafen kann, dann haben wir alle zwei recht lang geschlafen. Jetzt muss ich dann aber aufhören, weil sonst werd ich schwindelig vom Lachen, und dann fall ich womöglich um. Aber dass wir zwei noch so eine Gaudi haben, ist auch schön. Andere trenzen schon lange, brauchst nicht alles so ernst nehmen im Leben. Das Leben ist ja ein Fest, da vergisst man die Schmerzen, dann ist das Leben eh wieder schön.
Meine Güte, hätten alle hin und wieder so eine Gaudi, dann wären sie nicht so bös, du musst halt hin und wieder eine Gaudi haben. Haben wir auch gehabt, auch wenn wir viel gearbeitet haben, dann haben wir halt gesagt: So eine Gaudi! Aber jetzt hören wir auf, wir haben lange genug geblödelt, wir sind ja gescheite Leut. Mei, ist das Leben schön. Ich mein, heute kommt sogar die Sonn heraus. Jetzt war sie eh schon lange nicht da, die muss heute eh einmal rauskommen, sonst gibts was. Also zu was für einem Kabarett soll ich denn gehen? Ich hab gar nicht gewußt, dass ich so ein Talent habe, na super, ich hab gemeint, mit dem Geschirr abwaschen sind meine Talnte erledigt, dabei muss du Depp jetzt so viel lachen. Ach, der Tee ist wirklich gut.