Christophoros ist 40, er ist angespannt. Er ist hier der Chef von der Sache, überwacht von seinem Life Guard Turm aus die ganze Bucht, eineinhalb Kilometer Strand, das ist eine Menge Wasser. Immer wieder greift er zu seinem Fernglas, sein aufmerksamer Blick schweift über die Wellen. Er stammt aus Thessaloniki, wo er den Verein PAOK unterstützt. Er kennt die Wiener Austria, gegen die sie mal gespielt haben.
Seit 2010 ist er im Dienste der Küstenwache, man teilte ihn schon auf vielen anderen Stränden ein, und heuer ist er eben hier an der Südküste Kretas. Abends schiebt er noch Dienst im ortseigenen kleinen Museum, eineinhalb Stunden nach siebeneinhalb Stunden am Strand. Das Leben als Europäer ist nicht einfach in diesen Tagen, wenn man Grieche ist.
Unter Tags sieht man ihn immer wieder, wie er sich das Rettungsboot mit einem Seil als Ballast am extrem fiten Körper befestigt und dann mit mächtigen Kraultempi hin und her schwimmt, das ist sein tägliches Training. Dazwischen dehnt er seinen Körper oben am Aussichtsturm.
Er musste in seiner Karriere schon acht Leichen bergen, die meisten sterben an Herzinfarkten oder Gehirnschlägen. Ja, es ist richtig, dass er Ertrinkende ausknocken muss, sagt er, mit der Faust, dem Ellenbogen oder der Rettungsboje. Sonst würden sie ihn mit hinunter ziehen. Dass er selbst oft in Gefahr ist, das erzählt er mit angespanntem Mund. Das Bestehen der Prüfung würde auf gut griechische Art vor allem von der Höhe des Schmiergeldes abhängen.
Vor kurzem hat er einen Brief an die Regierung in Athen geschickt mit dem sehr guten Tipp, eher erfahrene Männer wie ihn als Rettungsschwimmer einzusetzen als junge, noch von Testosteron gesteuerte. Die Versuchungen, erzählt er anerkennend, wären an so einem Strand nämlich viel zu groß, als dass man sich auf das Wasser konzentrieren könnte: zu viele schöne Damen in zu knappen Bikinis laufen und liegen hier herum, „oh my god“. Eine Antwort von der Regierung hat er freilich noch nicht bekommen.
Dann hängt er sich wieder das Boot an den Körper und zieht seine Bahnen, wohl auch ein wenig, um sich selbst abzulenken. In Thessaloniki zuhause warten Frau und zwei kleine Kinder auf ihn.