Inge ist 83, es geht ihr schlecht. Sie war schon seit drei Tagen nicht mehr ausser Haus, die Hitze der Stadt setzt ihr zu.
Inge schaut aus dem Fenster ihrer Genossenschaftswohnung im 1. Stock in der Nordwestbahnstrasse im 2. Wiener Gemeindebezirk, als ich daran vorbei latschen, sie winkt mir zu, ich winke zurück, wir kommen ins Tratschen.
Normalerweise verbringt sie eineinhalb Stunden ihres Tages drüben im Augarten bei den Tauberln und Eichkatzerln, die sie mit je 30 dag Walnüssen füttert, welche sie zuvor kauft und aufschlägt. „Die kennan mi schon“, sagt sie, „die werden sich schon fragen, wo i bin.“
Geredet hat Inge schon lange mit niemandem mehr, ihr Mann ist seit 17 Jahren tot, ihr Sohn besucht sie kaum, „der ist bei da Polizei und geht boid in Pension, jetzt is a in Urlaub, oba i waaẞ net wo.“
Leben will sie eigentlich nicht mehr lange, zum Doktor geht sie nie. „I hob da drüben am Wallensteinplatz meinen jungen Apotheker, der gibt mir die Pulverl, waunn i was hab, das genügt.“
„So, jetzt geh ich schlafen“, sagt Inge dann und verabschiedet sich. Da ist es 17.45 Uhr an einem sehr heissen Sonntag im sehr heissen Sommer 2018, während dem Inge nun schon seit drei Tagen nicht mehr bei ihren Tauberln war.